Dokumentowane:
Einleitung zu Strukturüberlegungen „Gesellschaft sorbischer KulturMedien“ Bericht der Arbeitsgruppe Kunst/Bühne, Sitzung aller Arbeitsgruppen am 28.06.2010
Autor: Jan Bělk (Sprecher der AG)
Die Arbeitsgruppe Kunst/Bühne hat am 4. Januar 2010 ihre Arbeit aufgenommen. Das von ihr erarbeitete „Konzept zur Umgestaltung der Förderung der sorbischen Bühnenkunst durch die Stiftung für das sorbische Volk“ wurde am 22. Februar d.J. als Teilergebnis fertig gestellt und am 25.2. von der Stiftungskommission zustimmend behandelt. Es beinhaltete das vollständige Sachgebiet Sorbisches Nationalensemble SNE und Teilbereiche der Förderung des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters. Am 25. März wurde das Konzept durch den Stiftungsrat gebilligt mit der Auflage an den Direktor der Stiftung, dem Stiftungsrat innerhalb eines Monats einen beschlussfähigen „Vorschlag zur Umsetzung des v.g. Konzeptes“ vorzulegen. Hierzu hat der Direktor der Stiftung ein ihn beratendes Gremium berufen – besetzt neben dem Direktor der Stiftung mit Ministerialrat Jürgen Hinz sowie Milena Vettraino und Jan Bělk. Alle vom Gremium konkretisierten Strukturpositionen wurden durch Rechtsanwalt Aroukatos auf deren Umsetzbarkeit geprüft und ggf. neu diskutiert und modifiziert.
In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass zu Beginn der Beratungen im Januar sowohl die Stiftungsverwaltung als auch die Arbeitsgruppe davon ausgingen, dass die Mehrkosten, welche bei der Umstrukturierung des SNE (d.h. Änderung des Kulturauftrages und hiermit zusammenhängende Personalumsetzung und -reduzierung) anfallen würden, durch zusätzliche Landes- und Bundesmittel aufgebracht werden könnten. Diese Erwartungen wurden infolge der dramatischen haushaltspolitischen Gesamtentwicklung zunehmend gedämpft und letztendlich gänzlich zerschlagen. Andererseits hat sich aber an der akuten Notwendigkeit der Ausgabeneinsparung für die Stiftung nichts verändert.
Am 4. Mai hat der Stiftungsrat die Vorschläge für die Umsetzung des Konzeptes zur Förderung der sorbischen Bühnenkunst, im Speziellen zur Umstrukturierung des SNE und zur Entsperrung des Zuschusses an das Deutsch-Sorbische Volkstheater, beschlossen. Gleichzeitig hat der Stiftungsrat beschlossen, dass die sorbische Stiftung alle strukturbedingten Ausgaben selbst zu tragen hat.
Nicht zuletzt diese Tatsache sowie die allgemeine Notwendigkeit zur stetigen Effektivisierung der Strukturen zwingt (auch!) die Stiftung für das sorbische Volk zur Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle und Mittel-Verbrauchsstrukturen in Abhängigkeit von ihrer Gesamtaufgabe für das sorbische Volk. Ein weiterer Grund erwächst aus dem gegenwärtigen Finanzierungsabkommen der sorbischen Stiftung mit einer lediglich stagnativen Zuwendungssumme. D.h. mit anderen Worten, dass wir Sorben zu strukturellen Umbauten und Reduzierungen zum Zwecke von weiteren Einsparungen aber sogar auch zu immer weiterem Substanzabbau gezwungen sein werden, solange es keine staatlich gewollte und gesetzlich verbriefte progressive Finanzsicherung geben wird.
Das Gremium zur Erarbeitung der Vorschläge zur Umsetzung des Konzeptes hat im Kontext dieser wirtschaftlichen Situation den Aufbau einer s.g. sorbischen „Kultur GmbH“ diskutiert und in Eckpunkten entworfen. Dieses Strukturmodell ist wahrlich keine total neue Idee, gibt es doch gleichartige Überlegungen bereits seit Jahrzehnten (u.a. im „Bericht der unabhängigen Expertenkommission von 1994“ bis hin zu den Modellentwürfen im s.g. Vogt-Gutachten).
Der erste zwingende Auslöser für konkretere Kultur-GmbH-Überlegungen war die finanzielle Situation des SNE und die geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die Ausweisung einer Liquidation von Betriebsteilen des SNE und Neueinrichtung dieser künstlerischen Bereiche in einer neuen Kultur GmbH war ein Strukturmodell, um eine Gesamtinsolvenz zu umgehen und ein größtmögliches Maß an Substanz weiterführen zu können. Dieses Verwaltungsmodell wurde aufgrund der Beschlüsse und rechtlichen Rahmenbedingungen zum Umsetzungskonzept hinfällig.
Der zweite zwingende Auslöser war die Erkenntnis, dass neue Verwaltungsstrukturen unabdingbar sind, möchte man in den kommenden Jahren nicht noch stärker an der Substanz sorbischer Einrichtungen sparen.
Die wichtigsten Aufgabenstellungen solch einer – von mir konkreter benannten „Gesellschaft sorbischer KulturMedien“ GsKM – sind
1. Die Schaffung einer effizienteren allumfassenden Verwaltungsstruktur für die sorbische Kultur und Kunst und kunstnahe Bereiche;
2. Die Schaffung marktstabilerer und flexiblerer Bedingungen für eine zeitgemäße Kulturproduktion und Kulturverwertung.
3. Die Schaffung einer spürbareren Harmonisierung und unmittelbareren Verzahnung von Aufgabenprozessen zwischen den einzelnen Kulturinstitutionen, Laien-Kulturgruppen und Einzelkünstlern.
Nicht wenige Verantwortung tragende sorbische Gremien und Persönlichkeiten sind von der Notwendigkeit einer derart überspannenden KulturMedien – Verwaltungs- und Wirkungsstruktur bereits grundlegend überzeugt. Für deren Umsetzung jedoch sind neben tradierten Erfahrungen auch kulturpolitischer Weitblick, persönliche Widerstandsbereitschaft gegen gesellschaftlichen (manchmal auch gut gemeinten) Gegenwind, ausgeprägter Sachverstand und ausreichend Mut von Nöten. Die „Gesellschaft sorbischer KulturMedien“ ist eine Jahrzehnt-Aufgabe. Und sollten wir sie nicht annehmen, muß dies mit einer Zustimmung zur weiteren
Aufgabe sorbischer Substanz bewertet werden!
Überlegungen zur Diskussion
Zum Pkt. 1 – „Schaffung effizienterer Verwaltungsstrukturen“
In die GsKM als Verwaltungsträger werden u.a. die Firmenbereiche SNE, das WITAJ Zentrum, der Domowina (Buch-)Verlag, alle Bereiche der Förderung sorbischer künstlerischer Medien (Film, Tonträger, Internetkunst), Verwaltungsbereiche sorbischer Laienbetreuung und -förderung und die neu aufzubauende Sorbische Kunstakademie (inklusive Archiv und Bibliothek sorbischer Noten und Kunstmittel) zusammengefasst.
Das bedeutet auch, dass alle diese Einrichtungen und natürlich auch alle Laiengruppen weiterhin unverändert mit ihrem bisherigen Leistungsauftrag eigenverantwortlich verbunden sein werden!
Das SNE, das WITAJ Zentrum, der Domowina Verlag, Bereiche der sorbischen Projektförderung und die Sorbische Kunstakademie werden in dieser einen Firma GsKM buchhalterisch verwaltet.
Die Vorteile hierbei sind u.a.,
– Deutliche Verringerung des technischen und personellen Aufwandes bei der Buchhaltung;
– Auftrags- und Rechnungswege werden verkürzt;
– Deutliche Verringerung des buchhalterischen Aufwandes, weil die Leistungserbringung innerhalb ein und des gleichen Unternehmens passiert;
– Deutliche Verringerungen von Geldflüssen und Umsatzsteuer-Vorhaltebeträgen;
– Ausgabenersparnis durch Wegfall von verschiedenen Umsatzsteuerberechnungen
– Die Wirtschaftlichkeit und Liquidität der Unternehmensteile ist transparenter;
Die GsKM firmiert als GmbH und wird von einem Aufsichtsrat begleitet und kontrolliert. Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen aus Vertretern der einzelnen Firmenbereiche und der Stiftung.
In die GsKM nicht integriert wird der Bereich der sorbischen journalistischen Medien. Diese werden in einer neuen Firma (Arbeitstitel: Gesellschaft sorbischer journalistischer Medien GsjM) zusammengefasst. Auf der Grundlage eines längerfristigen Abkommens erhält die GsjM einen jährlichen Zuschuss-Festbetrag. Somit wird künftig deutlich stärker die Unabhängigkeit der journalistischen Medien gewährleistet.
Die GsjM wird von einem Medienrat begleitet, welcher sich aus Vertretern der sorbischen Politik, Fachbereiche und Vereine zusammensetzt.
Zum Pkt. 2
„Schaffung marktstabilerer und flexiblerer Bedingungen für eine zeitgemäße Kulturproduktion und Kulturverwertung.“
– Es ist dringend geboten, Vermarktungsstrukturen durch Bündelung von Kräften zu stärken;
– Ebenso müssen technische Möglichkeiten und das Know-how einzelner Firmenbereiche für alle unkompliziert zugänglich gemacht werden;
– Konzentrierte Nutzung und Entwicklung neuer Medien, z.B. Internetwerbung, gemeinsamer Ticketverkauf;
– Effiziente Terminabstimmung;
Zum Pkt. 3
„ Harmonisierung und Verzahnung von Aufgabenprozessen“
– Kulturprojekte werden stärker abgestimmt;
– Sinnvolle Kooperation zwischen den Fachbereichen;
– Ausnutzung von Erfahrungen, keine Doppelstrukturen;
– Schaffung einer international noch stärker wahrnehmbareren sorbischen KulturMedien-Institution
– Umsetzung von großen Projekten durch direkte (und kostenneutrale) Zusammenarbeit.
Zusammenfassung
Bei allen diesen Überlegungen geht es also weder um eine Monopolisierung, noch um eine Zentralisierung sorbischer Kultur, noch um einen gesteuerten Abbau kultureller Möglichkeiten oder gar den Rückfall in längst vergangenes Einheitsdenken. Gegenwärtige derartige Vorwürfe in Teilen der sorbischen medialen Öffentlichkeit drängen zur logischen Übertragung, dass man auch internationalen Medienunternehmen wie Edel AG, Schott Music oder Bertelsman und Sony Music, die jeweils in unternehmerischer Vielschichtigkeit unter einem wirtschaftlichen Verbund arbeiten, sozialistisch-unitären Zentralismus unterstellen würde.
Bei ausreichend kultur-politischem und wirtschaftlichem Sachverstand wird man erkennen können, dass die Kultur-GmbH-Überlegungen ein Schlüssel zur Stabilisierung der sorbischen professionellen- und Laienkultur sein könnten. Eine effizient organisierte Verwaltungs-Dachstruktur ist kein Heilsbringer für das Freisetzen fehlende Gelder für z.B. ein großes sorbisches Sinfonieorchester mit 60 Musikern oder für angemessene Stipendienvergaben an kreative Künstler oder für eine längst überfällige Neuregelung der sorbischen Schullandschaft und peripheren Kinder- und Jugendkultur.
Es wird von entscheidender Wichtigkeit sein, wie die einzelnen institutionellen Fachbereiche die Tragfähigkeit einer multifunktionalen, zeitgemäß vernetzten Kulturlandschaft annehmen und für sich zu nutzen lernen. Alle international agierenden Medienunternehmen praktizieren längst eine vielschichtige, crossmediale, flexibel agierende und reagierende Leistungsphilosophie. Denn – jedwede Einengung würde die Gefahren wirtschaftlicher Schieflagen und Marktverdrängungen nach sich ziehen. Und das würde für das sorbische Leben die unwiederbringliche Auslöschung nationaler unikater Werte bedeuten.